Tango-Konzert im TIM, Augsburg
01. November 2011
Die Verbindung von Liebe und Tod, das Bewusstsein für unsere Vergänglichkeit, der Schmerz über den Verlust eines geliebten Menschen - ein Thema, mit dem sich Literatur, Musik und Kunst im Laufe der Jahrhunderte vielfältig auseinandergesetzt haben. Und auch der Tango greift dieses Thema immer wieder auf: die ständig wiederkehrende Liaison von amor y muerte.
Das Konzert-Programm MAS QUE TANGO um die Musiker Iris Lichtinger (Klavier, Gesang), Jaime Liemann (Gesang), Martin Franke (Violine) und Christian Gerber (Bandoneon) hat sich einen Abend lang mit diesem Thema befasst. In Tango-Musik, Tango-Texten, in Lyrik und in alter klassischer Musik. Da trafen ein Tango von Astor Piazzolla auf ein Madrigal von Claudio Monteverdi, der Text eines alten Tango-Klassikers auf die »Duineser Elegien« von Rilke. Und über allem das Thema Tod, immer auf den Spuren des Vergehens und des Endens.
Doch der Abend wurde mehr als ein Konzert. Denn als gleich zu Beginn, nach den ersten beiden Tangos, der Sänger Jaime Liemann die Bühne betrat, spürte man sofort, wie sich die Atmosphäre verändert, wie das Thema dieses Abends an Bedeutung, an Schwere gewann. Liemann kam direkt aus der Klinik Großhadern, der Krebsstation, mit einer Augenklappe und sichtlich von Krankheit gezeichnet. Lächelnd begrüßte er das Publikum und machte kein Geheimnis aus seiner Situation, die so schicksalhaft und ironisch wie der Tod selbst zu diesem Abend passte. Bis wenige Tage vor dem Konzert sei noch gar nicht sicher gewesen, ob er auftreten könne. Doch nun stehe er hier, um als Pirat, wie er sich selbst mit Schmunzeln bezeichnete, diesen Abend dankbar zu genießen.
Und so nahm er das Publikum mit auf eine berührende, ergreifende, allzu ehrliche und gleichzeitig auch hoffnungsvolle Welle durch die Welt des Tango und mitten hinein in unser eigenes Leben. Denn was, wenn nicht der Tod, ist uns allen gemeinsam.
Man spürte ein angespanntes Zittern in den Zuschauerreihen, wenn Liemann vom Tod der Geliebten sang, die der heimgekehrte Häftling zu Grabe tragen muss. Oder vom geheimnisvollen König von Oblivien, der letztlich in uns allen schlummert, denn wer ist nicht ein Meister des Vergessens. Und man fühlte und sah die Sensibilität, mit der all die anderen Musiker zusammen und vorallem auch füreinander gespielt haben, abseits von jeglicher Routine, mit Respekt und Hingabe. Und als am Schluss, nach der Zugabe mit »Milonga triste«, Liemann die letzten Worte formulierte, löste sich eine Spannung auf, die über zweieinhalb Stunden aufgebaut wurde. »Lloré sin poder llorar - ich weinte, ohne weinen zu können.« Der letzte Ton verstummt. Tränen auf der Bühne. Tränen im Publikum.
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